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Das Ausmaß der Tragödien ist überwältigend: Zeitenwenden und Krisenzeiten überall um uns herum, Konflikte, die diplomatisch oder moralisch unlösbar erscheinen. Es reicht nicht mehr, sich aufzuregen, sich zu empören, die Nerven zu verlieren. Es braucht Zorn, dieses große archaische Gefühl gegen die Widrigkeiten in der Welt. »Den Zorn singe, o Göttin«, so beginnt das älteste schriftlich festgehaltene Werk Europas: die »Ilias« von Homer. Mit Zorn beginnt die Geschichte Europas.
In der neuen Inszenierung des Stadt:Kollektiv treffen junge Erwachsene auf Senior:innen. Aber sie begegnen sich nicht nur mit Vorwürfen, sondern fragen einander auch, was sie zornig macht. Wogegen haben sie gekämpft, wogegen kämpfen sie jetzt, und wofür lohnt es sich, zukünftig zu kämpfen? Neben ihnen stehen Kinder auf der Bühne, die die einzelnen Geschichten miteinander verflechten, sie hinterfragen und in einen größeren Kontext setzen. Aber die Spieler:innen berichten nicht nur von selbst erlebten Konflikten und persönlichen Krisen, sondern suchen Verbindungslinien zur griechischen Antike: Wessen Zorn ähnelt dem der Antigone, die an ein höheres Recht als das des Staates glaubt? Was passiert, wenn wir blind vor Zorn wie Ajax um uns schlagen? Zorn scheint ein aus der Zeit gefallenes Gefühl, das kaum ins vermeintlich rationale 21. Jahrhundert zu passen scheint. Aber vielleicht brauchen wir diese Geschichten jetzt genau deshalb: Können wir von den antiken Held:innen lernen, unseren Zorn wirkungsvoll einzusetzen?
Die Regisseurin Uta Plate hat sich mit politisch-biografischen Inszenierungen auch international einen Namen gemacht. In ihren Theaterarbeiten sucht sie stets nach den Brüchen und findet in Momenten des Zusammenbruchs, des Umbruchs und des Aufbruchs neue Perspektiven auf die großen Themen unserer Zeit. In ihrer Inszenierung »Zorn« vermisst sie die Spannungsfelder zwischen Einzelschicksal und Solidarität, Ohnmachtsgefühl und Widerstand.
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